Wie die Blockchain-Technologie unser Wahlsystem revolutionieren könnte

Wenn am
Sonntag die neue Bundesregierung gewählt wird, gehen die meisten
persönlich in die Wahlbüros, um ihre Stimme abzugeben. Die
Blockchain-Technologie könnte das ändern. Wäre da nicht das
Sicherheitsproblem.
Im Prinzip könnte es so einfach sein: Handy raus, ein Klick auf den gewünschten Kandidaten und fertig. Nach Ende der Wahl stünde innerhalb von Sekunden das Ergebnis fest. Kein mühseliger Gang zu den Urnen, kein stundenlanges Auszählen durch Ehrenamtliche und keine Live-Sendungen mit beständig neuen Hochrechnungen.
Technisch ließe sich eine digitale Wahl relativ einfach umsetzen - wäre da nicht das Problem mit der Sicherheit. Alle Online-Systeme sind digital angreifbar. Und eine gehackte Wahl wäre so etwas wie ein demokratischer Super-GAU. Daher ist das, was aktuell technisch möglich ist, für eine wichtige Abstimmung wie die Bundestagswahl ungeeignet.
Eine Blockchain ist eine neuartige Datenbank, die über kryptografische Verfahren gegen Manipulationen gesichert ist. Die Technologie ist bislang vor allem durch die Kryptowährung Bitcoin bekannt. Doch verschiedene Branchen experimentieren damit mehr oder weniger erfolgreich, von der Logistik über die Immobilienwirtschaft bis hin zur öffentlichen Verwaltung.
Die größten Versprechen der Blockchain
könnten auch bei einer Wahl von Nutzen sein: Einträge nicht zu
manipulieren. Wahlfälschungen wären praktisch ausgeschlossen. Die Daten
wären in einem Netzwerk von Computern gespeichert, so dass jeder darauf
Zugriff hätte. Bürgerinitiativen und Medien könnten unabhängig im
Protokoll nachlesen, wie viele Stimmen für wen eingegangen sind und ob
das Wahlergebnis stimmt.
Theoretisch hätte sogar jeder einzelne
Wähler dazu die Möglichkeit, nur praktisch fehlt in den meisten Fällen
das technische Know-how. Denn die Blockchain ist hochkomplex. "Sehr
wenige verstehen die Technik wirklich", sagt Guggenberger. Niemand, auch
er nicht, könne derzeit alle möglichen Auswirkungen überblicken.
Für
die Funktionsweise einer solchen Blockchain-Wahl gibt es
unterschiedliche Ideen. Meist wird von einem zweistufigen Verfahren
ausgegangen. Zuerst müsste eine zentrale Instanz, bei uns der
Bundeswahlleiter, eine Art elektronischen Schlüssel, Token genannt, an
alle Wahlberechtigten versenden. Mit diesem Token könnten Bürger ihre
Stimme abgeben. Jeder Kandidat hätte eine Art Konto, auf dem die Stimmen
für ihn eingehen.
Darüber, wie das dann im Detail abliefe, streitet
sich die Fachwelt. Es wäre mit einem auf Papier gedruckten Code und
Abgabe im Wahlbüro ebenso möglich wie per E-Mail oder App auf dem
Smartphone. Zum Einsatz kommen müsste wahrscheinlich eine sogenannte
geschlossene Blockchain, die unter der Kontrolle öffentlicher
Einrichtungen bliebe.
Wahlbetrug und Korruption wären somit passé.
Die Fehlerquote bei der Auszählung läge nahezu bei Null. Die
Hemmschwelle, wählen zu gehen würde deutlich reduziert, denn
Wahlberechtigte könnten von Zuhause, von der Arbeit oder aus dem Urlaub
heraus abstimmen. Außerdem könnten erhebliche Kosten eingespart werden.
"Das alles macht die Blockchain für Abstimmungen extrem interessant",
sagt Guggenberger.
Die große Hürde ist das Geheimhaltungsgebot
Kniffelig aber wird es, wenn es ins Detail geht. "Pseudonymität ist nicht gleich Anonymität", betont er zum Beispiel. Damit meint Guggenberger, dass nur, weil die Namen der Wähler verschlüsselt sind, es nicht heißt, dass sie niemand entschlüsseln könnte. Nach heutigem technischen Stand wäre das zwar nicht möglich. "Nur weil etwas heute sicher verschlüsselt ist, heißt es nicht, dass das für immer so bleibt", mahnt Guggenberger aber. Würden eines Tages Quantencomputer entwickelt, könnte es mit Hilfe derer möglich sein, heute sichere Verschlüsselungen zu entschlüsseln. Wer heute wie seine Stimme abgibt, könnte aber auch aus zukünftiger Perspektive noch eine relevante Information sein.
Zudem könne der Bundeswahlleiter nicht einfach auf irgendeine bestehende Blockchain, wie zum Beispiel die der Bitcoins, zurückgreifen. "Für eine Wahl müsste man auf jeden Fall ein staatlich koordiniertes System aufbauen", sagt Guggenberger. Denkbar wären zum Beispiel kommunale Rechenzentren oder ein System auf EU-Basis. Die langsame Digitalisierung in der Verwaltung in Deutschland lässt vermuten, dass es bis dahin ein sehr weiter Weg ist. "Wenn man es etwa über das Bitcoin Netzwerk regeln würde, gäbe man die Herrschaft über das System in die Hand von privaten Minern und ein paar Core Developern", mahnt Guggenberger. In der Bitcoin Blockchain sind diese nämlich für das Fortbestehen des Systems entscheidend verantwortlich.
quelle Handelsblatt